Mit dem Vulkan leben
„Er ist wieder aufgewacht“, sagen die Menschen und blicken immer wieder zum Vulkan von San Miguel, der mit seinen 2.130 Metern Höhe die gesamte Gegend überragt. Meistens liegt er ruhig da und stößt nur hin und wieder ein wenig Dampf aus, dessen Schwefel in den höher gelegenen Dörfern gut zu riechen ist, die Bewohner*innen aber nicht weiter interessiert. Das Leben am Vulkan San Miguel in El Salvador und Betreiben von Landwirtschaft dort ist herausfordernd. Kornkraft unterstüzt die Lanwirt*innen dort zusammen mit INKOTA
Doch am 27. November 2022 hat sich der „Chaparrastique“, wie der Vulkan auch genannt wird, einmal wieder mit aller Wucht ins Bewusstsein der Menschen gebracht. Nach kleineren und immer häufigeren Beben in den Tagen zuvor, versetzte der Berg an diesem Morgen die Bewohner*innen der umliegenden Dörfer in Schrecken. Noch war nichts zu sehen, doch mehrmals waren laute Geräusche zu hören. „Wie ein Röhren war das“, so eine Bewohnerin der Gemeinde La Piedrita, die nur wenige Kilometer vom Vulkan entfernt liegt. Und wenig später schon zeigte der Vulkan seine ganze Kraft: In kürzester Zeit stieß er eine bis zu zwei Kilometer hohe Rauchsäule aus, mehrere Kilometer weit schleuderte der Vulkan viele kleinere und einige auch etwas größere Steine.
Fast zehn Jahre liegt der letzte große Ausbruch des Vulkans zurück, damals dauerte es mehr als ein halbes Jahr, bis sich der Chaparrastique wieder völlig beruhigt hatte. Die Bewohner*innen der umliegenden Dörfer hatten diesmal Glück im Unglück: Niemand wurde verletzt, und auch keine Häuser wurden schwerer beschädigt. „Schlechter sieht es auf den Feldern aus, wo heiße Asche niederging. Dort sind viele Ernten verloren“, erklärt Guillermo Rivera, der Koordinator des INKOTA-Projekts, das Kornkraft seit einigen Jahren unterstützt. Viele Bauern und Bäuerinnen hatten die zweite Bohnensaat noch nicht geerntet und auch der Mais stand noch auf vielen Feldern. Je nachdem, ob die Gemeinden in der Windrichtung lagen oder nicht, haben die Menschen große, mittlere oder geringe Ernteausfälle zu beklagen. Einige hatten Glück und blieben völlig verschont.
Ein Rückschlag zum Ende eines Jahres, das einige gute Entwicklungen zu bieten hatte. Noch im September hatte Guillermo Rivera bei seinem Besuch bei Kornkraft in Huntlosen vom Verlauf des Projekts berichtet, das er für die Organisationen Oikos, für die er seit vielen Jahren tätig ist, koordiniert. Zu den wichtigsten Aktivitäten des Projekts zählt die Förderung der Agrarökologie. Vor allem auch in Zeiten des sich verschärfenden Klimawandels ist das eine gute Möglichkeit zur Anpassung an die veränderten Bedingungen für die Landwirtschaft. Oikos setzt immer stärker auf dieses Konzept, das in Nord und Süd immer mehr Verbreitung findet.
Im Zentrum der Aktivitäten in diesem Bereich steht der Aufbau sogenannter Agroforstsysteme. Das Interesse ist groß, viele Bauern und Bäuerinnen möchte ihre Landwirtschaft umstellen. Wer sich zur Teilnahme an Weiterbildungen und zur Umgestaltung der eigenen Felder bereiterklärte, konnte bei dieser Aktivität mitmachen. Dabei werden auf den Feldern in größeren Abständen unterschiedliche Baumarten gepflanzt. Sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben, geben sie dem Boden besseren Halt und sorgen dafür, dass Regenwasser nicht so schnell abfließt und stärker in die Böden versickert. Dies erhöht den Grundwasserspiegel und verbessert die Qualität des Bodens. Die Leute nennen das „Wasser ernten“, und Wasser ist, wie wir alle wissen, für die Landwirtschaft von riesiger Bedeutung.
Durch die Bäume verlieren die Bauern einen Teil ihrer Anbaufläche. Die Erfahrungen anderer Bauern zeigen ihnen aber: Die Umstellung lohnt sich, in den häufigeren Dürreperioden bedeutet ein höherer Grundwasserspiegel, dass Mais und Bohnen bis zu zwei Wochen länger ohne Niederschlag auskommen. „Das Projekt ist ein großer Segen. Wenn es keine Bäume gibt, gibt es auch kein Wasser. Wir müssen den Kindern zeigen, wie wichtig Bäume für unser Leben sind, und es daher so enorm wichtig ist, sie zu beschützen“, erklärt María Lavinia Quintanilla aus der Gemeinde Chambala.
Trotz des Vulkanausbruchs Ende November ist Guillermo Rivera guter Dinge. Schon im September hatte er bei seinem Besuch in Huntlosen Kornkraft für die langjährige Unterstützung der Arbeit gedankt. Da wusste er allerdings noch nicht, dass Kornkraft im Novem-ber noch einmal 5.000 Euro für das Projekt am Vulkan von San Miguel und vor allem die Aufforstung spenden würde. Möglich wurde dies durch den „Klima-Apfelsaft“, den Kornkraft verkauft und mit dessen Erlös aus jeder Kiste das Anpflanzen eines Baumes finanziert wird. „Es ist so unglaublich gut, zu wissen, dass Kornkraft die Menschen in unserer Projektregion nun schon seit so langer Zeit unterstützt. Das ist echte Solidarität, vielen Dank!“, erklärte Guillermo und bat darum, den Dank unbedingt an Jochen Schritt, den Chef von Kornkraft, und sein ganzes Team weiterzugeben.
Ein Großteil der Bäume, welche die Bauern und Bäume anpflanzen, sind Obstbäume. Die-ses Jahr waren dies Mango-, Anona-, Zapote-, Orangen-, Zitronen-, Guayaba-, Avocado- und Cashew-Bäume. Diese Bäume tragen nicht nur zu einer Verbesserung der Böden bei. Nach ein paar Jahren tragen sie Früchte und verbessern die Ernährungssituation der betei-ligten Familien. Irgendwelche Früchte sind über das Jahr verteilt meistens reif, und so können sich die Menschen besser und gesünder ernähren. Überschüsse können sie zudem auf den Märkten der Region verkaufen und so ihr Einkommen etwas aufbessern.
Anfang Dezember hat die Trockenzeit in El Salvador begonnen. Bis Mai fällt nun nur noch selten Regen. Damit die Bäume in den ersten Monaten „von oben“ bewässert werden, werden daher erst dann wieder Bäume gepflanzt. Guillermo und sein Team organisieren bereits, wer in welchen Gemeinden dann wieviele Bäume bekommt. Es sollen dann auch zusätzliche Familien Bäume bekommen, die im ursprünglichen Projektplan gar nicht vorgesehen waren. Möglich wird dies durch die erneute Spende von Kornkraft.
Autor: Michael Krämer, Programmkoordinator El Salvador beim INKOTA-netzwerk
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